Es kommt gerade einiges zusammen, das der Immobilien- und Bankenbranche Kopfzerbrechen bereitet: Covid wirkt noch nach und die Zukunft von Assetklassen wie Hotels, Shopping Center oder sogar Büros ist offen, ein deutlicher Zinsanstieg, Rezessionssorgen, steigende Baukosten und knappe Ressourcen, Lieferkettenprobleme durch den Krieg in der Ukraine. Alles auf einmal und zu einem Zeitpunkt, wo viele dachten, es geht nun wieder richtig los. Grund genug, um mit Michael Seeberg, unserem CEO, über seine Einschätzung der aktuellen Lage zu sprechen.
1. Gerade scheint es wie ein Sturm, der die Immobilienbranche tritt. Was sind aus Deiner Sicht die größten Risiken für die Immobilienwirtschaft derzeit?
Michael Seeberg: Die größte Gefahr sehe ich gerade in einer self-fulfilling crisis. Die genannten Entwicklungen existieren ohne Zweifel und treffen Marktteilnehmer hart, leider auch zum Teil unvorbereitet. Aber ich denke, man muss hier auch deutlich differenzieren. Der Zinsanstieg trifft Investoren, die gerade eine Immobilie langfristig finanzieren wollen. Im Bereich Projektentwicklungen sehen wir zwar auch einen Anstieg der Margen, der EURIBOR ist auch gestiegen, aber viele Banken quotieren ohnehin mit einem EURIBOR von mindestens null und davon sind wir noch ein gutes Stück entfernt. Wenn 50 oder 100 Basispunkte mehr Finanzierungskosten eine Projektentwicklung zum Kippen bringen, war sie vorher schon nicht wirklich rentierlich.
2. Die Rezessionsangst und die steigenden Zinsen wirken sich auch auf die Verkaufspreise von Immobilien aus, was zusätzlichen Druck für Bauträger bedeutet. Wie siehst du das?
Michael Seeberg: In der Tat, längere Vertriebszeiten und ein geringer Anstieg der Verkaufspreise haben wir seit 2009 nicht mehr gesehen und beides limitiert die Möglichkeit von Bauträgern, steigende Kosten an die Enderwerber weiterzugeben. Auch hier muss man aber wieder differenzieren: In Metropolregionen sieht die Situation aufgrund eines erheblichen Nachfrageüberhangs und zu wenig Bautätigkeit in den vergangenen Jahren sicher anders aus als in ländlichen Regionen. Wohnen insgesamt entwickelt sich dabei noch besser als Hotel und Einzelhandel, abgesehen von Nahversorgern und Fachmärkten.
3. Trotz dieser Entwicklungen und Tendenzen ist dein Optimismus ungetrübt. Woran liegt das?
Michael Seeberg: Krisenzeiten waren immer Zeiten, in denen erfolgreich neue Unternehmungen gegründet wurden. Gerade jetzt ist die Zeit der Innovation, jetzt ist der Veränderungsdruck in der Branche schon sehr hoch. Und die langfristigen Trends sind ja nach wie vor intakt: die ESG Transformation ist eine Generationenaufgabe und wird enorme Investitionen und Finanzierungsnachfrage mit sich bringen, die Bundesregierung hat ihr Ziel, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen, davon 90% im privaten Sektor, bekräftigt.
4. Wie soll das gehen in Zeiten knapper Ressourcen und steigender Kosten?
Michael Seeberg: Wir hatten im Rahmen unserer Real Talks jüngst unter anderem mit Circular Building, LiWood und Heimdall gesprochen. Alles Beispiele, die verdeutlichen, wie es gehen kann. Zum einen liegen erhebliche Potenziale in einer besseren Organisation von Bauprozessen und Verwendung von Materialien, zum anderen in neuen Bautechnologien und der Vorfertigung. Ein bewussterer Umgang mit den Ressourcen, dazu eine kompromisslos an den zukünftigen Nutzern von Immobilien ausgerichtete Gestaltung des Gebäudes und Umfelds und natürlich neue Wege der Finanzierung und Mobilisierung von Kapital – smart, schnell, technologieunterstützt.
5. Wenn wir einen Blick in die Zukunft wagen, was könnte sich schon bald ändern?
Michael Seeberg: Aktuell warten manche Marktteilnehmer erstmal ab. Wir werden Verkäufe von Projekten und Konsolidierungen sehen. Aber eben auch neue Gründungen, neue Konzepte, die mit Kreativität und Unternehmergeist Risikokapital mobilisieren können und helfen, das enorme Potential zu heben, dass die Immobilienbranche hat, um die Räume der Zukunft zu schaffen – ökologisch und sozial nachhaltig, an den Nutzern ausgerichtet, mit einer neuen Baukultur. Und darauf freue ich mich und dafür arbeiten wir bei hypcloud.