Manch ein Investor kennt es aus eigener Erfahrung: die gewerbliche Immobilienfinanzierung erfordert einen langen Atem. Es zieht sich. Die Verfahren sind oft aufwändig und intransparent. Die Konsequenz: während die Investoren noch auf die Bestätigung der Finanzierung warten, verlieren sie in der Zwischenzeit oftmals bereits ihre angestrebten Deals. Erschwerend kommt hinzu, dass bei manchen Banken noch immer die Auffassung vorherrscht, dass Innovationen am besten aus dem Unternehmen selbst stammen sollten, Herrschaftswissen nicht nach außen dringen darf. Dies kann die Entwicklung neuer Produkte und Services verzögern oder gar gänzlich unterbinden.
Zur gleichen Zeit gibt es eine dynamische PropTech-Szene, die über ein hohes Maß an Innovationsfähigkeit verfügt. Zur Umsetzung ihrer Ideen benötigen die PropTechs jedoch Zugriff auf Ressourcen, über die die großen Banken verfügen. Die Lösung liegt nahe: Kooperationen nach dem Open-Innovation-Modell können Abhilfe schaffen.
Öffnung für den Innovationsprozess
Der Begriff “Open Innovation“, geprägt von Henry Chesbrough, bezeichnet die Öffnung des Innovationsprozesses von Unternehmen und somit die strategische Nutzung der Außenwelt zur Vergrößerung des Innovationspotenzials – gewissermaßen ein “Zwischending” zwischen interner und externer Entwicklung. Ein solch hybrider Ansatz reduziert das Risiko, dass sich die Suche nach neuen Marktlösungen und Technologien als ein fruchtloser “Trial and Error“-Aktionismus herausstellt. Open Innovation stellt externe Ideen und externe Wege zum Markt auf die gleiche Ebene wie interne Entwicklungen.
Das Beispiel Fincompare
In diesem Kontext kann auch die kürzlich erfolgte Übernahme des Fintechs Fincompare durch ein Konsortium deutscher Banken gesehen werden. Unter den Käufern von Fincompare, befanden sich vier Volks- und Raiffeisenbanken, was belegt, dass auch die Genossenschaftsbanken zunehmend nach innovativen Lösungen für ihre Geschäftsfelder streben.
Das Beispiel ist ein Grenzbereich von Open Innovation und zeigt, dass Innovationspotenziale auch direkt in die Unternehmensstrukturen eingekauft werden können. Durch die vertikale Integration entsteht nicht zuletzt ein Wissenstransfer, und wie in diesem Fall, ein zusätzlicher Vertriebskanal. Gleichzeitig besteht jedoch die Gefahr, dass durch die Einbindung in größere Strukturen die Dynamik auf der Strecke bleibt. Um die Innovationspotenziale, die in solchen Übernahmen stecken, nachhaltig zu heben, müssen die Zukäufe durch bereits bestehende interne Strukturen permanent weiterentwickelt werden, ohne dabei den frischen Gründergeist zu verlieren.
Win-Win für alle Beteiligten
Die kollaborative und transparente Herangehensweise der Open Innovation bietet sich wechselseitig verstärkende Vorteile für alle beteiligten Akteure. Innovative Vorreiter lernen gemeinsam mit etablierten Finanzinstituten, sich zu ergänzen und so mögliche Kooperationen und die eigene technologische Entwicklung voranzutreiben. Dieses Modell dient zudem als Anreiz für die Banken, notwendige interne Prozesse zu schaffen. Je effizienter und flexibler die internen Strukturen einer Bank sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen technologischen Implementierung und gemeinsamen Kooperation.
Tatsächlich werden solche Kooperationsmodelle immer populärer. Über 80 % der Top-Banken weltweit haben bereits Partnerschaften mit FinTechs respektive PropTechs als Immobilien relevante Kategorie initiiert, von denen sich 16 % auf die Kreditvergabe konzentrieren. Laut einer aktuellen Studie der Warsaw School of Economics sehen viele Banken PropTechs zudem als die wichtigsten Innovationstreiber auf dem gewerblichen Immobilienfinanzierungsmarkt an. Wichtig ist dabei aber auch, dass beide Seiten zueinander passen. Bei der Suche nach Partnerschaften müssen sich die Banken darüber im Klaren sein, dass sie Partner brauchen, die für die eigenen Vorhaben nachhaltig wertsteigernde Produkte liefern können. Wenn Lösungen von der Stange gekauft werden, passen sie möglicherweise nicht zur Strategie, zu den Strukturen und zum allgemeinen Geschäftsmodell der Bank.
Smarte Lösungen in bestehende Bankprozesse integrieren
Die bereitgestellten Tools ermöglichen es den Banken, neue Fähigkeiten schneller zu entwickeln und diese auf das eigene Institut zuzuschneiden. Durch smarte Lösungen können Daten aus zahlreichen Quellen in kurzer Zeit in bestehende Bankprozesse integriert werden. Somit können zum Beispiel Vertriebs- und Kreditentscheidungen schneller und effizienter durchgeführt werden. Durch den Einsatz einer präzisen technologischen Lösung behält die Bank dennoch die Kontrolle über die zugrunde liegenden regulatorischen Anforderungen, indem sie ihre eigene Entscheidungslogik und -kriterien implementiert.
Zudem gewinnt die Bank über Open Innovation auch Zugriff auf die neuesten Technologien im Markt, die sie nur schwerlich selbst entwickeln könnte, sowie auf das kreative Potential von sonst kaum erreichbaren Mitarbeitern aus der Start-up-Szene. Der kollaborative Ansatz ermöglicht es zudem, konkreten Einfluss auf die Entwicklung des Produktes zu nehmen.
Ausblick: Es braucht eine klare Innovationsstrategie
Laut dem FinTech-Kooperationsradar 2020 von PwC stieg die Zahl der Kooperationen zwischen Banken und FinTechs, darunter auch PropTechs, in den Jahren bis 2019 stetig an. Daraufhin folgte jedoch ein Rückgang. Dieser ist sicherlich teilweise durch die Umstände der Corona-Krise zu erklären, vermutlich jedoch auch dem Umstand geschuldet, dass Kooperation zwar eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung für Erfolg ist. Manch gemeinsames Projekt verläuft nach anfänglichem Enthusiasmus im Sande. Umso wichtiger wird es in den kommenden Jahren, dass die verschiedenen Akteure im Markt mutiger werden und neue Wege beschreiten. Auch der Open-Innovation-Ansatz benötigt eine klare innovative Strategie der Institute in Verbindung mit dem Aufbau von internem Know-how. Sind diese Bedingungen erfüllt, bietet Open Innovation das Potenzial für viele neue Erfolgsgeschichten im gewerblichen Immobilienfinanzierungsmarkt.