Nun ist sie also da, die Inflation. Nach vielen Jahren sorgenvoller Kommentare sogar über mögliche deflationäre Entwicklungen hat das Statistische Bundesamt für 2021 eine Teuerungsrate von 3,1% ermittelt. Für 2022 erwartet die Deutsche Bundesbank einen Anstieg auf 3,6%. Die Frage ist: muss man sich fürchten? Ökonomen sind uneins. Während manche vor einer Lohn-Preis-Spirale warnen, weisen andere auf zahlreiche Sondereffekte hin.
Gleichzeitig stellt sich die Frage: war die Inflation wirklich weg? Die immense Liquidität, die seit der Bekämpfung der Finanzkrise 2008 in Umlauf gekommen ist, suchte und sucht nach Investitionsmöglichkeiten. Und so gab es Inflation in all den Jahren – bei den Assetpreisen. Immobilien, Aktien, Kunst. Der Immobiliensektor hat in besonderer Weise von der Kombination aus Liquidität und niedrigen Zinsen profitiert.Was bedeutet das sich ändernde Inflationsumfeld nun für die gewerbliche Immobilienfinanzierung?
Das Inflationsgespenst ist zurück
Nach vielen Jahren, in denen die Inflation in der Eurozone trotz expansiver Geldpolitik unter der Zielmarke von zwei Prozent lag, sind die Preise in den letzten Monaten rasant angestiegen. In der Eurozone stieg die Inflation im Dezember 2021 auf 5,0 Prozent – den höchsten Wert seit Juli 2008. Auch Deutschland bleibt von diesen Entwicklungen nicht verschont. Einer Umfrage der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 02. Januar 2022 zufolge erwarten Experten einen Preisanstieg in diesem Jahr von 2,7% bis 4,1%. Während in anderen Ländern jedoch ein etwas entspannteres Verhältnis zu temporär steigenden Preisen herrscht, greift hierzulande die Inflationsangst um sich – möglicherweise noch immer eine Langzeitfolge der Hyperinflation von 1923, die sich tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hat. Das Thema nahm in der Berichterstattung der letzten Monate eine große Rolle ein. Zahlreiche Artikel, oft in alarmistischem Tonfall, befassten sich mit der Frage, was die Inflation für Verbraucher oder für Teilnehmer am Kapitalmarkt bedeutet. Anlass genug, der Frage aus der Perspektive der gewerblichen Immobilienfinanzierung auf den Grund zu gehen.
Wie schlimm ist es denn?
Kurz gesagt: so schlimm nicht. Von einer Hyperinflation wie vor fast 100 Jahren, oder auch nur vor einer rasanten Geldentwertung, wie sie derzeit in der Türkei zu beobachten ist, ist Deutschland weit entfernt. Dies gilt nicht nur für die derzeitigen Raten, sondern aus aktueller Sicht auch für die weitere Entwicklung, auch wenn es hier gegenteilige Expertenmeinungen gibt. Schließlich ist ein großer Teil der momentanen Preissteigerung auf temporäre Effekte zurückzuführen, nicht zuletzt als Folge der Corona-Pandemie.
“Solange keine Bewegung in die Leitzinsen kommt, ist davon auszugehen, dass auch die gewerbliche Immobilienfinanzierung von radikalen Zinssprüngen verschont bleibt.”
Michael Seeberg, CEO
Zinsen bleiben niedrig
Daher ist es wenig verwunderlich, dass die EZB aktuell nicht vorhat, der Entwicklung durch schnelle Zinsanhebungen entgegenzuwirken. Während das US-Pendant, die Federal Reserve, den Leitzins im laufenden Jahr vermutlich in drei Schritten auf ca. 0,9 Prozent anhaben will, hat die EZB zunächst entschieden, die Ankäufe von Wertpapieren zurückzufahren, bevor über eine Leitzinserhöhung entschieden wird. . Zwar ist die EZB-Politik keineswegs unumstritten, jedoch gibt es gute Gründe, warum in Europa auch künftig mit einem Niedrigzinsumfeld zu rechnen ist.
Erstens: die demographische Entwicklung. Die Bevölkerung des Kontinents ist im globalen Vergleich alt, und wird zudem immer älter. Nun haben ältere Menschen jedoch einen geringeren Bedarf an Krediten – stattdessen bieten sie eher Kapital an. Ein starkes Angebot, gepaart mit einer schwachen Nachfrage, führt zu Preisdruck, sprich: niedrigeren Zinsen.
Zweitens: viele Staaten in der Eurozone, vor allem in Südeuropa, leiden unter hoher Staatsverschuldung. Sie haben daher keinerlei Interesse an zu stark steigenden Zinsen, da sie sonst ihren Zahlungsverpflichtungen kaum noch nachkommen könnten. Dass die EZB auch auf dieses Problem Rücksicht nimmt, haben die letzten Jahre der expansiven Geldpolitik eindrücklich gezeigt.
Solange allerdings keine Bewegung in die Leitzinsen kommt, ist davon auszugehen, dass auch die gewerbliche Immobilienfinanzierung von deutlichen Zinssprüngen verschont bleibt. Zwar lässt sich beobachten, dass am Kapitalmarkt die Zinsen steigen – dies geschieht jedoch langsam, und noch immer auf sehr niedrigem Niveau. Andere Aspekte, die weniger mediale Aufmerksamkeit erhalten, haben einen deutlich größeren Einfluss auf die Verfügbarkeit von Krediten. In diesem Zusammenhang wären etwa striktere regulatorische Vorgaben für Banken oder die zunehmende Bedeutung von ökologischen und sozialen Aspekten – Stichwort: ESG – zu nennen. Zudem ist durch die lockere Geldpolitik der EZB auch weiterhin genügend Liquidität im Markt vorhanden.
Kein Grund zur Panik – aber zur genauen Analyse
Für Projektentwickler und Investoren ist dies eine gute Nachricht. Trotzdem gilt: Sorgfalt ist gefragt! Schließlich können auch kleinere Zinsanstiege Auswirkungen auf die Profitabilität eines Vorhabens haben. Zudem unterscheiden sich die Auswirkungen je nach Art des Projektes enorm, vor allem zwischen neuen, kurzfristig finanzierten Projekten und längerfristigen Investitionen in bestehende Objekte.
Projektentwicklungen sind in der Regel variabel verzinst. Zwar bringt ein Zinsanstieg höhere Zinskosten für den Entwickler mit sich, gleichzeitig wird dieser Effekt im Regelfall aber durch einen höheren Verkaufserlös wieder aufgefangen. Zudem gibt es noch die Möglichkeit der Zinsabsicherung – diese kostet allerdings Geld, und ob sich eine solche Maßnahme lohnt, muss im Einzelfall genau geprüft werden.
Längerfristige Objekte hingegen sind zinssensibler, da der Zins aus den laufenden Einnahmen bezahlt werden muss und der Zins nicht nur eine Rolle für die Finanzierung, sondern auch für die Bewertung des Objektes spielt. Ein Zinsanstieg beeinflusst folglich die Bewertung eines Objektes negativ. Bei der Finanzierungsentscheidung ist außerdem die Länge der Zinsbindung von großer Bedeutung. Die Konditionen werden teurer, je länger die Zinsbindung andauert, wenn auch auf niedrigem Niveau. So notierte der 10-Jahres-Swap Satz am 07.02.2022 bei 0,698%, der 15-Jahres-Swap Satz dagegen bei 0,791%. Vor allem bei Zeiträumen über zehn Jahren wird der Kreis möglicher Finanzierungspartner zudem deutlich kleiner.
In jedem Falle gilt: aktuell kein Grund zur Panik. Im Großen und Ganzen sind die Marktbedingungen noch immer intakt. Die Wahrscheinlichkeit, dass der momentane Preisschub zu Verwerfungen auf dem gewerblichen Immobilienmarkt führt, ist eher gering. Unser primärer Ratschlag an Projektentwickler und Investoren lautet daher: Gelassenheit. Trotzdem empfiehlt es sich natürlich, die Finanzierungskosten nicht zu unterschätzen und sich rechtzeitig um eine geeignete Finanzierung zu bemühen. Unser Team von hypcloud steht Ihnen hierbei tatkräftig zur Verfügung.